Toxikologie
Lachgas als Treibhausgas - Ursache des Klimawandels?
Der Treibhausgaseffekt
Die Atmosphäre unserer Erde enthält neben ihren Hauptbestandteilen Stickstoff und Sauerstoff u.a. sogenannte Treibhausgase. Diese werden, vereinfacht gesagt, so genannt, weil die Atmosphäre durch sie in der Lage ist, Wärme auf der Erde zu halten und nicht einfach in den Weltraum abzustrahlen. Dadurch ist die Temperatur auf der Erde über Jahrmillionen ausreichend gleichmäßig und stabil geblieben, so dass das Entstehen des heute bekannten Lebens auf ihr möglich war. Dies nennt man den Treibhausgaseffekt.
Zu den Treibhausgasen zählt vor allem Kohlendioxid (CO2), aber auch Methan (CH4) und Lachgas (N2O), sowie Perfluorcarbone (PFCs), Hydrofluorcarbone (HFCs) und Sulfurhexafluorid (SF6).
"Global Warming"
Während der Treibhausgaseffekt per se also ein lebensnotwendiger Effekt ist. erlangte er besonderes Interesse in der Öffentlichkeit, als aus wissenschaftlichen Untersuchungen klar wurde, dass die über Jahrzehnte messbare Zunahme der Konzentration an Treibhausgasen zu einer bedrohlichen Zunahme der Erderwärmung führt ("global warming"). Dies ist von so großer Bedeutung, da die Zunahme der Treibhausgase letzlich bedingt ist durch die menschliche Zivilisation ("anthropogen"). Die Folgen der zunehmenden Erderwärmung werden v. a. als Klimaveränderungen mit gehäuften Extermwetterlagen sichtbar (siehe hierzu z.B. Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung - P.I.K.).
Um dem entgegen zu wirken haben sich im Dezember 1997 im sogenannten Kyoto-Protokoll 37 Industrienationen und die Europäische Union zur Reduktion der anthropogenen Treibhausgas-Emissionen verpflichtet (weitere Informationen auf der Website des United Nations Framework Convention on Climate Change - UNFCCC).
Treibhausgas-Emmissionen
Den gößten Anteil an den globalen Treibhausgas-Emissionen hat mit 87% Kohlendioxid (CO2), wobei der weltweite Energieverbrauch die Hauptquelle darstellt. Darum richten sich die allermeisten Anstrengungen der Reduktion auf eine effiziente und maßvolle Energienutzung.
Will man die einzelnen Treibhausgase hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Treibhausgaseffekt vergleichen, so muss beachtet werden, dass sie aufgrund ihrer chemisch-molekularen Struktur eine unterschiedliche Potenz bezüglich des Treibhausgaseffekts haben; die Potenz von Methan ist ca. 25-mal, die von Lachgas 128-mal so hoch wie die von Kohlendioxid. Daher werden Emssionsdaten üblicherweise in sogenannten "CO2-Äquivalenten" angegeben. In obiger Abbildung werden so die Emmissionen in ihrer Bedeutung für den Treibhausgaseffekt vergleichbar dargestellt.
Als wohl zuverlässigste Quelle an Primärdaten dazu kann die Online-Datenbank "Greenhouse Gas Inventory Data" des UNFCCC gelten. Hier können die offiziell gemeldeten Daten der jährlichen Emissionen für Deutschland seit 1990 eingesehen werden. Die Treibhausgas-Emissionen aller beteiligten Länder werden zusätzlich auch nach ihrer Quelle aufgeschlüsselt. Als Einheit dient "Kilotonnen (kt) CO2-Äquivalenten".
Die Emissionen aus medizinisch verwendetem Lachgas hatte in Deutschland 2015 einen Anteil von lediglich 0,04% an den Gesamt-Treibhausgeasemissionen. Weltweit betrug dieser Anteil 0,06%. Damit spielt die medizinische Verwendung von Lachgas für die globale Klimaerwärmung nur eine minimale Rolle.
Verbot von Lachgas wegen Klimaschädigung?
Obwohl also die medizinische Verwendung von Lachgas zur Narkose und Sedierung für das Problem der anthropogenen Treibhausgas-Emissionen keine wesentliche Rolle spielt, wurde immer wieder behauptet, dass N2O als Arzneimittel aufgrund seiner "klimaschädigenden Wirkung" verboten würde [Schirmer 1998, Hemprich 2011]. Auch wenn solche Aussagen teilweise in Richtigstellungen wieder relativiert wurden, blieb über einige Zeit eine Verunsicherung, die sich jedoch als unbegründet heraus gestellt hat.
Fazit:
Ein Verbot von Lachgas für medizinische Zwecke wird nicht im Kyoto-Protokoll oder in dessen Nachfolge gefordert oder festgeschrieben.
Dies wurde auf entsprechende Anfragen 2011 durch das Bundesministerium für Wirtschaft, das Umweltbundesamt und das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte gegenüber dem Autor bestätigt (entsprechende Stellungnahmen liegen dem Autor vor).
Arbeitsplatzbelastung
Laut §3 Abs. 6 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) geben Arbeitsplatzgrenzwerte (AGWs) an „ ... bei welcher Konzentration eines Stoffes akute und chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind.“
Arbeitsplatzgrenzwert (AGW)
Die AGWs werden von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in der sog. TRGS 900 (Technische Regel für Gefahrstoffe 900) festegelegt. Gemäß TRGS-900 sind Arbeitsplatzgrenzwerte Schichtmittelwerte bei in der Regel täglich achtstündiger Exposition an 5 Tagen pro Woche während der Lebensarbeitszeit.
Der Arbeitsplatzgrenzwert liegt für Lachgas (Distickstoffoxid) bei 100 ppm (parts per million = ml/m3) bzw. 180 mg/m3.
Kurzzeitwert
Weiter wird in der TRGS-900 für Lachgas ein sog. Kurzzeitwert von 200 ppm (Überschreitungsfaktor von 2) festgelegt, welcher nicht mehr als 4 mal pro Schicht für jeweils nicht mehr als 15 Minuten überschritten werden darf.
Risiko für Fruchtschädigung
Im Mai 2009 wurde in der TRGS-900 Lachgas das Kennzeichen "Y" beigefügt, welches sagt: "ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes und des biologischen Grenzwertes (BGW) nicht befürchtet zu werden."
Embryo-/Fetotoxizität
Seit den 1970-iger Jahren wurde immer wieder über einen Zusammenhang der Exposition von medizinischem Personal mit Lachgas und erhöhten Abort-Raten bzw. vermindertem Geburtsgewicht spekuliert. Dies betraf v.a. Hebammen, OP-Personal und Zahnarzthelferinnen und führte in einigen Ländern, so auch in Deutschland, zu einem erheblichen Rückgang der Verwendung von Lachgas außerhalb der Anästhesie.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung zeigte jedoch, dass die Ergebnisse dieser frühen Studien in ihrer Aussagekraft erheblich limitiert sind. Grund hierfür sind die folgenden Faktoren [Sanders 2008]:
- sog. "Reporter-Bias" (Rücklaufraten von postalischen Befragungen deutlich differentzwischen den Studiengruppen)
- unzureichende Kontrollgruppen
- retrospektive Erhebungen
- Dosis und Dauer der Lachgas-Exposition nicht quantifiziert
Entsprechend stellte eine Task Force der American Society of Anesthesiology (ASA) fest, dass nach heutigem Stand des Wissens kein wissenschaftlicher Hinweis darauf gibt, dass Lachgas zu erhöhten Abortenraten und anderweitig eine embryo- oder Fetotoxische Wirkung hat.
Missbrauch von Lachgas
1978 berichteten Layzer et al. erstmals von einem sogenannten 'recreational abuse', einem Missbrauch von Lachgas bei Zahnärzten und zahnärztlichem Personal, die Lachgas über Jahre repetetiv als Entspannungsdroge gebraucht hatten [Layzer 1978a, Layzer 1978b]. Dieses führte zu diffusen neurologischen Symptomen wie Taubheit der distalen Extremitäten, verminderte Reflexe, Schwäche in den Beinen und Händen, Gleichgewichtsstörungen und Impotenz, die unter Behandlung mit Vitamin B12 bei einigen der Patienten nicht mehr vollständig reversibel waren. Auch wenn Lachgas nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt, sollte jeder, der mit Lachgas umgeht, dieses Missbrauchpotential kennen – zumal bekannt ist, dass unter Jugendlichen das Schnüffeln von Lachgas (dann jedoch pur!) durchaus populär ist.